Reis
Ein Korn, unendliche Möglichkeiten.
Allgemeines
Reis, ein uraltes Nahrungsmittel, ist heutzutage eines der weltweit am meisten verbreiteten und konsumierten Getreide. Besonders im asiatischen Raum stellt er ein unverzichtbares Grundnahrungsmittel dar. Seine Vielfalt ist bemerkenswert – mehr als 120.000 Reissorten weltweit mit unterschiedlichen Texturen, Geschmacksrichtungen und Anbaumethoden prägen die kulinarische Landschaft.
Botanisch gesehen gehört Reis (Oryza sativa) zur Familie der Süßgräser (Poaceae). Der Kulturreis wurde aus dem Wildreis (Oryza rufipogon), einer an subtropische bis tropische Standorte angepassten Wasserpflanze mit geringer Kältetoleranz, entwickelt. Da der mehrjährige Wildreis jedoch nur sehr wenige Samen pro Jahr produziert, konnte das natürliche Angebot dieser Pflanze die steigende Nachfrage der prähistorischen Sammler:innen im späten Pleistozän bald nicht mehr decken, weshalb der Anbau dieses Getreides schon früh in Frage kam. Archäobotanische Funde deuten darauf hin, dass der Reisanbau erstmals im mittleren Jangtse-Tal in China um 8500-8000 v. u. Z. vorangetrieben wurde und sich von dort aus nach Südchina und Südostasien ausbreitete.
Anbaugebiete
Da Reis von Natur aus in feuchtwarmen Regionen wächst, sind die Hauptanbauländer auch heute noch überwiegend asiatische Staaten. Der Anteil Asiens an der Reisproduktion lag in den letzten Jahren bei fast 90%. Hauptanbauland ist China, dicht gefolgt von Indien. Weitere wichtige Reisanbauländer sind Bangladesch, Indonesien, Vietnam, Thailand, Myanmar, die Philippinen, Pakistan und Kambodscha.
Aber auch auf den anderen Kontinenten wird Reis angebaut: Statistiken der Welternährungsorganisation (FAO) und des USDA Foreign Agricultural Service zeigen, dass in Nord- und Südamerika vor allem Brasilien und die Vereinigten Staaten Reis kultivieren, in Afrika hauptsächlich Nigeria und Ägypten. Europa hat neben Ozeanien den kleinsten Anteil an der Reisproduktion, hier wird vor allem in Spanien und Italien Reis angebaut.
Es gibt zwei Hauptunterarten von Kulturreis: Die Indica-Unterarten (dt. Langkorn- oder Basmatireis) wachsen in tropischen Monsungebieten. Diese Reissorten sind sehr tolerant gegenüber schwierigen Bedingungen, insbesondere gegenüber Trockenheit. Die Unterarten Japonica (dt. Rundkornreis) eignen sich dagegen für den Anbau in gemäßigteren Regionen mit trockenen Sommern und kühlen, feuchten Wintern.
Anbau und Ernte
Kulturreis wird einjährig angebaut. Er kann bis zu 120 cm hoch werden und seine Rispen – etwa 10 bis 15 pro Pflanze – enthalten an die 300 Reiskörner. Um 3000 v. u. Z. hat sich der Nassreisanbau etabliert. Diese Methode, die etwa 80 % der Reisernte ausmacht, verhindert das Wachstum von Schädlingen und Unkraut und reduziert so den Einsatz von Pestiziden. In den Mündungsgebieten der asiatischen Flusstäler, wie in den Deltas und Überschwemmungsebenen des Mekong, wurden die Wälder und Bambushaine abgeholzt und die großen Flächen für den Reisanbau flach gepflügt. Die Aussaat selbst erfolgt zunächst auf einem trockenen Feld. Später werden die Setzlinge von Hand oder mit einer Setzmaschine in das gepflügte Nassfeld umgepflanzt. Während der Wachstumsperiode steht das Feld ständig unter Wasser und wird erst zur Ernte trockengelegt. Geerntet wird oft noch arbeitsintensiv von Hand mit der Sichel. In einigen Regionen wird die Ernte zunehmend maschinell durchgeführt.
Eine Sonderform des Nassreisanbaus ist der Terrassenfeldbau, der im Hügelland außerhalb der Überschwemmungsgebiete zu finden ist. Diese Methode ermöglicht die Nutzung steiler Hänge für die Landwirtschaft. Eine modernere Anbaumethode ist der Trockenreisanbau. Diese Methode wird bei Reisarten angewandt, die nicht an Überflutung angepasst sind, und ermöglicht so den Reisanbau in Gebieten, in denen Überschwemmungen nicht möglich sind. Eine hohe Luftfeuchtigkeit ist dennoch erforderlich.
Konsum und Produkte
In China selbst ist der Eigenbedarf so groß, dass der weltgrößte Reisproduzent auf Exporte verzichtet, um den eigenen Bedarf decken zu können. Auch in Deutschland wird Reis immer beliebter: In den letzten Jahren stieg der jährliche Reisverbrauch auf über 581.000 Tonnen. Am meisten wird Reis in gekochter Form verzehrt, in Teilen Asiens stellt er sogar 80% der Mahlzeiten dar. Doch er ist nicht nur Grundnahrungsmittel, sondern wird auch in vielen anderen Formen genutzt. Produkte wie Reismilch, Reisnudeln, Reiswaffeln oder das glutenfreie Reismehl haben sich längst in unseren Supermärkten etabliert. Aber auch ausgefallenere Spezialitäten wie Reiswein (Sake), Reisbier, Reisessig und aus Reis hergestellte Spirituosen, allen voran der im asiatischen Raum überaus beliebte Reisschnaps Arrak, tragen zu der großen Vielfalt an Produkten bei, die aus dem kleinen Wunderkorn gewonnen werden können.
Siegel
Siegel wie Fairtrade, Naturland oder das Bio-Siegel (nach EG-Öko-Verordnung) können den Konsument:innen helfen, sich für sozial- und umweltverträglich produzierten Reis zu entscheiden. Die Umweltstandards und -richtlinien, welche für die Zertifizierungen eingehalten werden müssen, beschränken oder verbieten den im konventionellen Reisanbau hohen Einsatz von Düngungsmitteln und Pestiziden. Risiken, die durch die Düngung für Umwelt und Konsument:innen entstehen, werden somit vermindert. Außerdem sollen sozioökonomische Kriterien und faire Handels- und Arbeitsbedingungen benachteiligte Reisproduzent:innen unterstützen und sie vor Abhängigkeitsverhältnissen bewahren.
Das weltweit erste Nachhaltigkeitslabel mit eigenen Standards speziell für Reis wurde von der Sustainable Rice Platform (SRP) gegründet. Unter dem Motto „Feed the World. Sustainably.“ macht die Organisation es sich zur Aufgabe, Kleinbäuerinnen und -bauern in der Reisproduktion zu unterstützen, sich für soziale und ökologische Standards einzusetzen und eine nachhaltige Reisproduktion zu entwickeln, deren Erträge den wachsenden Bedarf der Weltbevölkerung auch zukünftig decken können. Die Organisation nimmt an, dass durch die Umsetzung ihrer Standards und die Umstellung auf nachhaltigen Reisanbau das Einkommen für Produzenten um 10 – 20% gesteigert werden könnte, der Wasserverbrauch um ca. 20% und die Methanemissionen um bis zu 50% reduziert werden könnten.
Herausforderungen
Die Reisproduktion leidet zunehmend unter den Folgen des Klimawandels. Abweichungen in Niederschlagsmengen und -verteilung sowie Extremwetterlagen bilden hohe Stressfaktoren für die Reispflanzen und führen somit zu einem Rückgang der globalen Erträge. Besonders die schrumpfenden Wasservorräte werden in Zukunft eine große Herausforderung für den Reisanbau darstellen, da der Großteil der Erträge aktuell aus dem durch einen enormen Wasserverbrauch gekennzeichneten Nassreisanbau stammt. Da möglicherweise die ausreichende Bewässerung der Felder in Zukunft nicht mehr garantiert werden kann, wird weltweit mit Ernteausfällen zu rechnen sein. Der hohe Wasserbedarf der Reisfelder führt außerdem in den Anbaugebieten zum Absinken des Grundwasserspiegels und damit zu Wasserknappheit und Versorgungsproblematiken für die lokale Bevölkerung. Um den steigenden Reisbedarf der wachsenden Weltbevölkerung zukünftig zu decken ist es daher nötig, den Reisanbau an die Folgen des Klimawandels anzupassen und ihn nachhaltiger zu gestalten.
Methanemission: Während die Reisproduktion mit den Folgen des menschengemachten Klimawandels zu kämpfen hat, trägt sie jedoch selbst auch nicht unwesentlich dazu bei. Im konventionellen Nassreisanbau entwickeln sich unter Wasser Mikroorganismen die Pflanzenreste zersetzen und dabei Methan bilden – ein Treibhausgas, das etwa 25 mal schädlicher ist als CO2 und bis zu 12 Jahre in der Atmosphäre bleibt. Je länger die Felder überflutet sind, desto mehr Methan wird produziert und freigesetzt, sodass ca. 5% der globalen anthropogenen Methanemissionen auf den Nassreisanbau zurückzuführen sind. Eine Möglichkeit, die Methanemissionen zu reduzieren wäre, die Reisfelder in bestimmten Wachstumsphasen der Pflanzen trocken zu legen. Derartige Maßnahmen erfordern zwar einen hohen Arbeitsaufwand und moderne Bewässerungstechnologien, könnten die Methanemissionen jedoch beinahe um die Hälfte reduzieren.
Bodenkontaminierung und Erosion: Durch die Flutung der Felder im Nassreisanbau werden die Böden mit der Zeit ausgewaschen, sodass immer weniger Nährstoffe verfügbar sind. Die Kompensation des entstehenden Mangels durch Düngung sowie die Behandlung gegen Schädlinge führen zur Kontaminierung der Böden und des Grundwassers. Da im modernen Nassreisanbau außerdem mit fließendem Wasser gearbeitet wird, um eine zu starke Algenbildung an den Reispflanzen zu verhindern, wird bei zu hohen Fließgeschwindigkeiten der Boden abgetragen und seine Struktur geschädigt.
Nachhaltigkeit
Eine Möglichkeit den Reisanbau nachhaltiger zu gestalten, stellt die Anbauvariante des mehrjährigen Reis dar. Die im Jahr 1999 von einem internationalen Forschungsteam ins Leben gerufene Studie beschäftigt sich mit der Züchtung und Optimierung einer neuen, mehrjährigen Reissorte PR23 (Perennial Rice 23). Im Gegensatz zum einjährigen Reis, wird dieser nicht jährlich, sondern nur etwa alle 4 Jahre neu ausgesät. Dadurch können die Reispflanzen tiefere Wurzeln entwickeln, denen es gelingt Wasser und Nährstoffe aus tieferen Bodenschichten zu ziehen. Dieses Anbauverfahren spart daher nicht nur Dünger, Wasser und Saatgut, sondern schont auch die Böden, die nur noch alle paar Jahre gepflügt werden müssen und somit eine schützende Vegetationsdecke entwickeln können.
Mehrjähriger Reis: Die seit 2016 laufenden Feldversuche ergeben, dass es beim Anbau des mehrjährigen Reis über einen Zeitraum von bis zu vier Jahren keine Ertragseinbußen im Vergleich zu einjährigem Reis gab. Erst nach vier Jahren waren merkliche Rückgänge im Ertrag vorhanden und eine Neuaussaat von Nöten. Forscher:innen berechnen das Sparpotential des mehrjährigen Reis auf 68 – 77 gesparte Arbeitstage pro Hektar und Arbeitssaison und auf etwa 49,2% weniger Kosten für neue Saaten, Dünger, Pflanzenschutzmittel und Wasser. Die Gewinnsteigerung lag von 2016 bis 2020, abhängig von Region und Sorte, zwischen 17,4% und 161%.
Trockenreisanbau: Der Trockenreisanbau stellt eine Alternative zum Nassreisanbau und Problemlösungsstrategie für den enormen Wasserverbrauch dar – besonders im Hinblick auf steigende Temperaturen und sinkende Wasserverfügbarkeit. Die Forschung beschäftigt sich derzeit mit der Optimierung dieser Anbaumethode für Reis, die weniger Wasser benötigt und auch weniger Methan ausstößt. Allerdings sind die Erträge im Trockenreisanbau bisher deutlich geringer als im konventionellen Nassreisanbau, weshalb sich die Methode bislang nicht dominant durchsetzen konnte.